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SPOTLIGHT




          pro Gramm, auf der Straße zahlte man so
          fast 50 % des legalen Verkaufspreises von
          durchschnittlich 10,65 Dollar (etwa 7,21 Euro).

          Eine Wahrnehmung die uns auch Bianca
          C., Rechtsanwältin aus Toronto, bestätigt:
          „Besonders in Toronto beziehen die meis­
          ten ihr Cannabis nach wie vor wie früher,
          einfach deshalb, weil es billiger ist und dir
          der Typ bis an die Haustür liefert. Die le­
          galen Dispensaries müssen im Vergleich
          dazu Sales Tax, Lizenzgebühren und die
          Gehälter ihrer Mitarbeiter einberechnen.“
          Trotzdem bleibt sie optimistisch, denn
          „nach der ersten Euphorie verstehen lang­
          sam alle, dass das Ganze ein langwieriger
          Prozess ist, Veränderung passiert einfach
          nicht von heute auf morgen. Die Mehrheit
          der Kanadier ist und bleibt überzeugt,   eine willkommene Unterstützung in     Bereichen vielleicht etwas einfacher, es
          dass die Legalisierung die richtige Ent­  Zeiten angespannter Budgets.   bleibt aber abzuwarten, wann sich das Um­
          scheidung war, und wir sind stolz, dass wir                         denken in der Bevölkerung in konkreten
          international bei den Ersten dabei sind.“  RATIONALE BETRACHTUNG    politischen Veränderungen niederschlägt.
                                            Was lässt sich aus der Erfahrung Kanadas   Aus dem Beispiel Kanadas, wo eine ratio­
          Den langsam positiven Trend bestätigt   etwa ein Jahr nach der Legalisierung ler­  nale Betrachtung des Themas Cannabis
          auch StatCan, laut der in den ersten   nen? Entscheidend scheint zu sein, Stake­  und die daraus resultierenden neuen Re­
          drei Monaten 2019 bereits geschätzte   holder auf allen Ebenen in den Prozess ein­  geln nicht nur Rechtssicherheit, sondern
          47 % der Konsumenten – das sind in etwa   zubinden. Wie die unterschiedlichen Er­  auch Arbeitsplätze und Steuereinnahmen
          2,5 Millionen Kanadier – ihr Cannabis legal   folge aus den verschiedenen Provinzen   schaffen, während gleichzeitig Ressourcen
            erworben  haben,  gegenüber  23 %  im   und Städten zeigen, kann das mitunter zu   für die Bekämpfung harter Drogen und or­
            Vergleichszeitraum des Jahres davor.     Verzögerungen und unklaren Situationen   ganisierter Kriminalität frei werden, lässt
          Das bedeutete für die ersten fünfein­  in Bezug auf die Umsetzung der neuen   sich mit Sicherheit einiges lernen.
          halb  Monate 2019 Steuereinnahmen von     Freiheiten führen. Wie die kürzlich von
          186 Millionen Dollar für den kanadischen   der  kanadischen Regierung angekündigten   Abschließend sollten wir einen weite­
          Staat und die Provinzen.          Gesetze zur rückwirkenden Löschung von   ren, oft vergessenen, aber nicht zu unter­
                                            früheren Verurteilungen wegen geringfügi­  schätzenden Aspekt der Legalisierung
          Laut Michael Armstrong, Wirtschaftspro­  ger Vergehen im Zusammenhang mit Can­    beleuchten: den Einfluss auf die wis­
          fessor an der Brock University in Ontario,   nabis zeigen, scheint auch hier ein Umden­  senschaftliche Forschung. Schon bisher
          erklärt sich diese niedrig erscheinende   ken dahingehend einzusetzen, das Thema   waren kanadische Universitäten in vielen
          Summe aus der Strategie der Regierung,   globaler zu betrachten und es nicht bei der   Bereichen führend in der Forschung zum
          das Steuerniveau bewusst moderat zu   Verabschiedung eines bundesstaatlichen   Thema Cannabis. Durch die neue Geset­
          halten, um gegen den Schwarzmarkt vor­  Gesetzes zu belassen. Welche Schwierig­  zeslage ist es nun nicht nur noch einfa­
          gehen zu können und aufgrund der Erfah­  keiten komplett unterschiedliche Rechts­  cher, diese Forschungen voranzutreiben.
          rungen beispielsweise Kaliforniens, wo   lagen auf verschiedenen Ebenen schaffen   Sie ermöglicht auch andere Studien­
          die Steuereinnahmen massiv überschätzt   können, sieht man besonders in den USA,   designs und vor allem einen wesentlich
          wurden und auch nach Jahren noch ein   wo trotz der  Freigabe in einigen Staaten   leichteren Zugang zu Finanzierung, bei
          schwer zu bekämpfender semi­ oder ille­  Cannabis auf Bundesebene nach wie vor   dem die aufstrebenden, teilweise schon
          galer Markt besteht. Sollte aus den An­  illegal ist –  allgemein ein Problem, das in   börsennotierten Cannabis­Unternehmen
          laufschwierigkeiten der ersten Monate   stark föderalistischen Staaten wie Kanada   möglicherweise auch eine interessante
          gelernt werden und mit der Freigabe   oder den USA immer wieder auftritt.  Rolle spielen könnten. Besonders in   FOTOS: ADOBE STOCK, PRIVAT
            neuer Produkte Ende des Jahres (der so­                             diesem Bereich wird der Einfluss des
          genannten Legalisierung 2.0), dürften die­  In den meist etwas zentraler organisierten     Cannabis Act also weit über Kanada hin­
          se Einnahmen langfristig stark steigen –   Staaten Europas wäre dies in manchen   aus reichen.

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